Spielzeugfreier Gruppenraum

Vor etwas mehr als drei Wochen haben die Erzieherinnen unserer bilingualen Tiger-Gruppe einen mutigen Entschluss gefasst: Sie haben sich dazu entschieden, in ihrem Gruppenraum eine spielzeugfreie Zeit durchzuführen. In der Umsetzung hieß das, dass am Starttag gemeinsam mit den Kindern alle vorhandenen Spielsachen in Körbe und Kisten verpackt und in einen anderen Raum des Kindergartens gebracht wurden. Bei so vielen Kindern braucht schließlich auch Spielzeug mal einen Urlaub.
So völlig leer sah der Gruppenraum ganz ungewohnt aus, aber war er wirklich leer? Eigentlich nicht, denn die Erzieherinnen hatten für eine erste Ladung von sogenannten wertfreien Material gesorgt. Anders als zuvor hatten die Kinder nun keine fertigen Spielsachen mehr aber dafür verschiedene Kartons, Papprollen, Joghurtbecher und verschiedenstes Bastelpapier. Ab hier hieß die Devise „selbst kreativ werden“! Und das taten die Kinder.

Aus den Kartons sind Laptops, mit Hilfe von Toilettenpapierrollen und Flaschendeckeln entstanden. Vulkane und Joghurtbecher wurden zu Regenbögen aufgereiht. Dabei stellten die Kinder fest, dass nicht jedes Material sich gut mit einem Klebestift befestigen lässt. Für manches braucht es entweder flüssigen Bastelkleber, Klebestreifen oder auch einen Tacker.

Doch nicht nur die kreativen Fähigkeiten der Kinder entwickelten sich relativ schnell weiter. Auch die Kommunikation untereinander nahm zu. Schnell fanden sich kleine Expertengruppen zur Herstellung von benötigten Spielmaterial für das Rollenspiel oder auch zum gemeinsamen Konstruieren auf dem Bauteppich (denn große Holzbauklötze sind in der Gruppe geblieben). Der Satz „Ich kann das noch nicht“ bekam auf einmal eine ganz neue Bedeutung, denn das war ein Signalsatz für die Experten dem anderen Kind zu helfen.

Aber auch die Eltern entdeckten ihre kreativen Seiten wenn es darum ging, den Kindern neue Materialien zu organisieren. Es gab z.B. alte Tapetenrollen, gesammelte Messlöffel von Milchpulver, Schmuckschatullen, Stoffreste und noch viel, viel mehr. Der Fantasie war hier keine Grenze gesetzt.

Einen Nachteil hat es aber doch wenn man so frei und kreativ sein darf – aufräumen braucht Zeit und Geduld. Schließlich musste immer wieder erst herausgefunden werden, ob das herumliegende Objekt nun ein Kunstwerk ist oder ob das in den Müll darf. Und das war nicht immer so einfach.

Durch eine der Erzieherinnen wurden die Kinder in der zurückliegenden Zeit immer mal wieder gefragt, ob sie ihre Spielsachen zurückhaben möchten. Einige wenige Kinder haben konkrete Wünsche nach Bügelperlen oder einem Auto geäußert, der Großteil der Kinder möchte bislang aber kein Spielzeug zurückhaben. „Das stört uns beim Spielen und Basteln!“

Alle Beteiligten sind gespannt, wie lange das Projekt noch andauern wird. Welches Spielzeug wann wieder in den Raum zurückkehren wird und ob überhaupt Spielzeug zurückkehrt, hängt von den Kindern und ihren Wünschen ab.